Transition – die lange Phase zwischen Abschied und Neubeginn

Von
Elske & Sandra

November 12, 2025

5

min lesen

Zwischen dem Abschied vom Alten und dem Beginn des Neuen liegt die Phase der Transition. Eine Zwischenwelt, ein Niemandsland, ein Ort, den wir meist nur schnell durchqueren wollen.

Das Modell

Welche Change Expert:in kennt es nicht, das Transition Model von W. Bridges. Brilliant in seiner Einfachheit: Es gibt einen aktuellen Zustand, der entweder nicht mehr akzeptabel oder nicht mehr möglich ist, dann gibt es die Phase der Transition, und es gibt den Zielzustand, zu dem man sich hin entwickeln möchte. So weit so klar. Der Fokus liegt meist auf "Weg von" und "hin zu", und das ist nur menschlich und legitim. Wir möchten Lösungen, neue Optionen, wenn etwas nicht mehr gangbar ist.

Dabei vergessen wir gerne: zwischen Ausgangspunkt und Ziel liegt ein weites Feld. Oft nebelverhangen, undurchdringlich, dornig. Es lohnt sich, dieser Zwischenwelt mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Und Raum. Es gibt viel zu entdecken dort, so viel sei versprochen.  

Im Folgenden möchten wir euch unsere ganz persönlichen Erfahrungen mit diesem Zustand schildern. Denn aus unserer professionellen Praxis und persönlichen Erfahrung wissen wir: Keine Transformation passiert von Zauberhand. Sie will durchlebt und manchmal auch erlitten werden. Und das ist gut so, oder Sandra?

Sandra

Ja, liebe Elske, ich stimme Dir voll und ganz zu.

Im Sommer dieses Jahres erlebte ich eine Zeit, die mein Leben erschüttert hat. Innerhalb von nur zehn Tagen starben mein Vater und mein Schwiegervater.

Mein Vater litt an einer schnell fortschreitenden Demenz. Wir begleiteten ihn eng in den letzten zwei Jahren. Sein Tod war einerseits eine Erlösung – für ihn und für uns als Familie. Andererseits hinterließ er eine große Leere. Er war mein innerer Kompass, jemand, der mir auf meinem Lebensweg viel mitgegeben hat und mich durch sein Vertrauen und seine Werte stark geprägt hat.

Nach den Bestattungen wollte ich wieder funktionieren. Ich gab mir zwei Wochen Zeit für Trauer. Danach, so mein Plan, sollte der Alltag wieder weitergehen. Schließlich warteten Kund:innen, Projekte und Aufträge, die ich bereits verschoben hatte.

Doch der Körper und die Seele hielten sich nicht an Pläne

Auf dem Bahnhofsvorplatz in Hamburg – kurz vor einem Kundentermin – brach ich unvermittelt in Tränen aus. Mitten in der Hektik des Alltags, umgeben von vorbeieilenden Menschen.
Ein wohnungsloser Mann kam auf mich zu und bot mir einen Schluck aus seiner Bierflasche an. Ich lehnte dankend ab, doch diese Begegnung berührt mich bis heute. In diesem Moment spürte ich Menschlichkeit, Mitgefühl und Anteilnahme – dort, wo ich eigentlich hätte geben müssen.

Ich zog die Reißleine, sagte Aufträge ab und verschob Termine. Ich setzte mir eine neue Deadline: „Ab Januar starte ich wieder durch – in gewohnt engagierter und professioneller Weise.“

Ich erinnere mich noch genau an das vorherrschende Gefühl auf dem Bahnhofsvorplatz: Scham und Hilflosigkeit.
Scham, weil ich die Kontrolle über meine Emotionen verloren hatte.
Hilflosigkeit, weil all das Wissen, die Methoden und Interventionen, mit denen ich sonst meine Klient:innen begleite, bei mir selbst nicht wirkten.
Planbarkeit, Struktur, Organisation – alles war plötzlich dahin.
Neben der physischen Erschöpfung entstand eine tiefe emotionale Leere.

In der „In-between-Zone“ – wenn das Alte vorbei ist und das Neue noch nicht begonnen hat

Die „Zwischenphase“ des Transition-Modells – zwischen Abschied und Aufbruch – fühlt sich oft wie ein Niemandsland an. Nichts ist mehr wie vorher, und das Neue ist noch nicht sichtbar.

Ich befand mich genau dort.
Ich versuchte, mich abzulenken – mit anspruchslosen Serien, Krimiliteratur oder Spanisch-Vokabeln auf Babbel. Doch das alles erzeugte nur neuen Druck und verlängerte meinen Aktionismus.

Loslassen auf Mallorca

Schließlich zog ich mich zurück. Ich mietete ein Haus auf Mallorca – einem Ort, der für mich seit Langem Kraft und Weite bedeutet.

Jeden Morgen machte ich meine Walking-Runde am Strand. Meist war ich früh unterwegs und hatte die Bucht ganz für mich allein. Das Meer, das Licht, die Sonne, die Farben, der Wind, der Salzduft – alles war intensiver, klarer, echter. Ich begann, wieder den Horizont zu sehen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Hier kam ich zur Ruhe und entschleunigte. Ich war einfach da - ohne Plan, ohne Ziel.

Der Trauerprozess um meinen Vater wurde natürlicher. Die Erinnerungen taten nicht mehr weh, sondern fühlten sich gut an. Es ging nicht mehr ums Aushalten oder Ablenken. Ich ließ zu, was war – und spürte, wie sich etwas in mir ordnete.

Dankbarkeit und leiser Neubeginn

Heute gehe ich milder und achtsamer mit mir um. Ich nehme meine Umwelt und meine eigenen Bedürfnisse wieder bewusster wahr. Ich bin präsenter, lasse ambivalente Gefühle zu und habe kein Bedürfnis, sofort wieder neue Herausforderungen zu suchen.

Mein vorherrschendes Gefühl ist Dankbarkeit – für alles, was mein Vater mir mitgegeben hat, und für das, was ich mir selbst gerade ermögliche.

Ganz allmählich entstehen am Horizont neue Ideen und Möglichkeiten. Aber ein bisschen bleibe ich noch in der „In-between-Zone“. Fühlt sich gut an.

Und Du, liebe Elske, was hast Du in der „Transitionsphase“ erlebt?

Elske

Erst einmal danke für deine Offenheit, diesen Beitrag von dir zu lesen bewegt mich sehr. Und spiegelt meine Erfahrungen auf vielfache Weise, auch wenn es bei mir nicht um den Verlust eines geliebten Menschen ging. Vor allem dieser letzte Satz zum Verweilen in der "Zwischenwelt". Diesen Raum mit der Zeit wert zu schätzen und sogar zu genießen, das erlebe ich seit meinem Abschied aus dem Angestelltenverhältnis auch immer öfter. Vielleicht bleibe ich einfach hier, vielleicht IST es bereits das Ziel? Das frage ich mich manchmal.

Ich habe mir bewusst viel Zeit geschenkt, um in der Selbständigkeit anzukommen. Erst einmal wirklich Sabbatical, mit Reisen und Gartenprojekten, danach als Beraterin und Trainerin durchstarten - das war mein Plan. Auf dem Weg habe ich immer wieder neue Dinge entdeckt, die ich erkunden wollte. Traditionelles Yoga zum Beispiel.

Transaktional versus transformativ

Von der Idee, dass ich eine Grundausbildung gut gebrauchen kann für die Kurse und Retreats, die ich anbieten wollte (also transaktional gedacht) wurden es schließlich vier Ausbildungen, die mich immer tiefer in die Weisheit dieser Lebenslehre eingeführt haben (eine transformative Erfahrung). Ob ich diese zu Geld machen kann oder nicht, spielte gar keine Rolle mehr. Es ging um mich, um mein inneres Wachstum.

Aktuell will ich gar nicht mehr irgendwo ankommen, ich will weiter erleben und erkunden. Ich lerne täglich damit zu sein, dass manche Pläne nicht aufgehen, dass Dinge mehr Zeit brauchen als gedacht, dass manche meiner Ideen nur mir gefallen. Und wenn mich von Zeit zu Zeit der Mut verlässt, auch damit gut zu sein. Verletzlichkeit zulassen, das ist meiner Meinung nach eine essentielle Ressource zum Verweilen in der Transitionsphase. Diese Phase ist nicht nur ein Durchgang, ein Weg, den es zu passieren gilt. Sie ist ein großer Erlebnisraum, ein Abenteuerspielplatz, ein Refugium - oder einfach der Raum, den du gerade brauchst.

Bridges selbst sagt über sein Model: "The neutral zone is the seedbed for new beginnings." Wir möchten ergänzend sagen: Es lohnt sich, diesen Raum voll und ganz anzunehmen. Um den Boden zu bereiten für neues Wachstum.

Im Werkraum öffnen wir die Tür zu diesem Raum. Sei uns dort herzlich willkommen!

Werkraum 2026 auf Mallorca

1.-3. Juni 2026

Buchung und Info über www.werkraum-retreat.com

Portrait von Sandra WegmeyerPortrait von Elske Jilli- González

Sandra Wegmeyer & Elske Jilli- González

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